Mach mit! Es geht um uns!

Legislatives Theater
Unter dem Motto „Mach mit! Es geht um uns!“ wurde ein ehrgeiziges Projekt zur Ausarbeitung der Novelle des Tiroler Behindertenhilfegesetzes gestartet. 20 Forumtheateraufführungen fanden dazu im ganzen Land statt.
„Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sieht eine aktive Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vor. Das bedeutet, dass sie auch an Entscheidungsprozessen mitwirken, die sie unmittelbar betreffen. Das Land Tirol kommt dieser Aufforderung daher auch im Gesetzwerdungsprozess nach“, berichtet Soziallandesrätin Christine Baur. So wurden in einem breit angelegten, kreativen und innovativen Prozess die Anliegen und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, Lernschwierigkeiten und psychischen Krankheiten gesammelt, die in die Ausgestaltung der Novelle einfließen werden. „Mit dieser Methode der Partizipation übernimmt Tirol eine Vorreiterrolle: Menschen mit Behinderung bringen ihre Anliegen aktiv und selbstbestimmt in den Gesetzwerdungsprozess ein“, kündigt LRin Baur an.
„Die Einbindung von Menschen mit Behinderungen in den Gesetzwerdungsprozess erfolgt durch das ‚Legislative Theater‘ – einem Theaterprojekt, das es ihnen ermöglicht, ihre Vorstellungen und Wünsche auf vielen Ebenen und in Form von szenischen Darstellungen zum Ausdruck zu bringen“, berichtet Armin Staffler, künstlerischer Leiter des Projekts.
Szenische Darstellung von Schwierigkeiten und Problemen im Alltag
Ob Unterforderung und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, herausfordernde Alltagssituationen, aber auch Differenzen mit Behörden oder ÄrztInnen: Eine Gruppe von 30 Menschen mit Behinderungen, Lernschwierigkeiten oder psychischen Erkrankungen erarbeitete in mehreren Workshops vier Szenen, die infolge von 17 DarstellerInnen umgesetzt wurden. Diese zeigen die Schwierigkeiten und Probleme, mit denen die Betroffenen täglich konfrontiert sind. Diese Szenen wurden dann im Rahmen von insgesamt 19 Veranstaltungen in allen Bezirken aufgeführt und das Publikum – Menschen mit Behinderungen, die eine Leistung des Landes Tirol in Anspruch nehmen, VertreterInnen aller Behinderteneinrichtungen, aber auch die interessierte Öffentlichkeit – hatte die Möglichkeit, sich durch aktives Mitspielen in die Szenen einzubringen. Über 1.500 TirolerInnen nahmen an diesen interaktiven Aufführungen – dem Forumtheater – teil und wirkten daran mit, Ideen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
„Am Anfang stellten für mich die Aufführungen des Forumtheaters nur einen Weg dar, meine Meinungen einzubringen. Ich hatte eigentlich nicht vor, mitzuspielen. Später hat mich diese Methode dann aber sehr fasziniert und ich glaube, dass es wirklich etwas bewirkt. Ich habe den Eindruck, dass die Verantwortlichen vom Land Tirol sehr beeindruckt sind, was durch dieses Projekt zustande gekommen ist“, schildert Bernold Dörrer, ein Mitwirkender des Legislativen Theaters, seine Erfahrungen.
Um möglichst viele Menschen mit Behinderungen zu erreichen, wurde bei den Aufführungen besonders auf Barrierefreiheit geachtet: Mithilfe von Schrift- und GebärdendolmetscherInnen, Induktionsschleife oder bildliche Unterstützung für Menschen mit Lernschwierigkeiten wurde eine aktive Mitwirkung für alle ermöglicht.
LRin Baur fasst zusammen „Ich war persönlich bei vielen Veranstaltungen dabei und habe diese zentralen Themen überall gehört: ein einfacher, flexibler und zeitnaher Zugang zu Unterstützungsleistungen, eine respektvolle Begegnung auf Augenhöhe und die Orientierung an den Stärken der Menschen mit Behinderung. Sämtliche Anliegen und Lösungen wurden gesammelt und werden bei der folgenden Erarbeitung des Gesetzes berücksichtigt.“
Rückmeldungen:
"Die Aufführung hat mich sehr beeindruckt! Inklusion ist ein ständiger Prozess und es ist sehr hilfreich, wenn Probleme von Menschen mit Behinderung in Alltagssituationen, im Beruf oder bei Arztbesuchen sehr augenscheinlich dargestellt werden, um die eigene Handlungsweise zu hinterfragen!"
Mag. Reinhold Beer, Leiter der Abt. Unterstützung der beruflichen und gesellschaftlichen Inklusion von Menschen mit Behinderung/Sozialministeriumservice – Landesstelle Tirol
"Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Professionalität! Ihre Arbeitsmethode hat mich sehr bewegt; wie weit sie sich auf Menschen einlassen (trauen und können), und sie diese dann auch behutsam in all ihrer Offenheit und Einschränkung weiterführen. Da steht nicht nur erlerntes Handwerk dahinter, sondern auch Mut und Persönlichkeit mit Liebe zum Menschen.
Für mich war es bestätigend, dass der Mensch nicht vom Geld - sprich den Förderbeiträgen - lebt. Natürlich sind diese unumgänglich und wichtig. Das Leben mit seiner Qualität kann jedoch jede/r Einzelne in der zwischenmenschlichen Beziehung entscheidend mitgestalten und heben. Darin liegt wohl viel Entwicklungspotential und auch Verantwortung aller." (Dr. Margaretha Hammerle, Ärztliche Leiterin Ambulatorium für Physiotherapie, Tiroler Gebietskrankenkasse)
"Ich bin vom Forumtheater sehr begeistert und sende ich Ihnen gerne diese Rückmeldung zu Ihrer weiteren Verwendung: Das Land Tirol erarbeitet ein neues Gesetz, das die Ansprüche von Menschen mit Behinderungen und die aus Landesmittel finanzierten Leistungen für Menschen mit Behinderungen regeln soll. Die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in den Entstehungsprozess dieses neuen Gesetzes ist durch die UN-Behindertenrechtskonvention vorgegeben und wird vom Land Tirol ernst genommen.
Doch wie können die unterschiedlichen Menschen gut in diesen Prozess eingebunden werden?
Die vom Land Tirol gewählte Methode des Forumtheaters ermöglicht echte Partizipation! Durch diese Form der Auseinandersetzung können sich auch Menschen beteiligen, die nicht oder nur wenig über Lautsprache kommunizieren. Beim Theaterspielen kann auch über nonverbalen Ausdruck von Emotionen das Geschehen mitgestaltet werden, die Teilnehmer/innen beteiligen sich als ganze Personen und nicht nur auf einer ausschließlich kognitiven Ebene.
In diesem Sinne gratuliere ich dem Land Tirol für diesen Weg. Er zeigt auch, dass Menschen mit Behinderungen als Partner/innen in Prozessen ernst genommen werden.
Drei Jugendliche, die im Elisabethinum unterstützt werden, haben die Chance genutzt und mit viel Freude als Schauspielerinnen beim Forumtheater mitgemacht!
Ich selbst durfte gemeinsam mit drei Klassen unserer Schule und den Teilnehmer/innen unserer Berufsvorbereitung an einer Aufführung teilnehmen. Dabei konnte ich erleben, wie gut auch die Einbeziehung der Zuschauer/innen funktioniert hat.
Viele unserer Schüler/innen und jungen Erwachsenen haben sich im Verlauf der Aufführung gemeldet und ins Geschehen eingebracht. Sie konnten dabei authentisch zum Ausdruck bringen, was sie bewegt. Dabei wurde alles, was sie eingebracht haben, wichtig genommen. Diese Erfahrungen stärken Selbstbewusstsein und machen Mut! Ich kann dem Spielleiter, Herrn Armin Staffler, dazu nur gratulieren und danken! "
Mit lieben Grüßen, Klaus Springer
slw Elisabethinum
Leitung
"Vorweg möchten wir Herrn Staffler für die treffend aus dem Lebensfeld der KlientInnen aufgegriffen Szenarien und die feinfühlige Integration der anspruchsvollen und manchmal viele Interpretationen offen lassenden Wortmeldungen aus dem Publikum unseren Dank aussprechen.
Bei der Aufführung des Forumtheaters am 29.9.16 in Innsbruck hatten wir den Eindruck, dass es KlientInnen aus den sozialpsychiatrischen Einrichtungen sehr schwer gelingt sich aktiv einzubringen. Der Großteil der Beiträge aus dem Publikum kam von NutzerInnen aus dem Kreis der Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und Sinnesbeeinträchtigungen. Aus den Rückmeldungen der KlientInnen und MitarbeiterInnen, insbesonders aus dem Bezirk Kitzbühel, wissen wir, dass es dort gut gelungen ist, die Anliegen und Bedürfnisse sozialpsychiatrischer KlientInnen zu artikulieren und zum Ausdruck zu bringen.
Wir wünschen uns, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse aus dem Forumtheater in der neuen Gesetzgebung ihren Niederschlag finden."
mit freundlichen Grüßen,
für das PSP Team,
Leo Alber (Vorstandsmitglied im Psychosozialen Pflegedienst Tirol)